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vermutlich war ich der einzige …

Lehrer in Istanbul, der Sylvester, pünktlich kurz vor Mitternacht, zur Schule ging.

Warum? Nun, wir wohnen ja in Ortaköy, nicht weit von dem berühmten Platz mit der kleinen Moschee unter der Bosporusbrücke. Dort wollten wir ja auch hin, sofern es nicht zu voll wäre – zu Sylvester hatten wir zwar Freunde eingeladen, die hatten aber abgesagt, weil sie sich doch um die Familie kümmern mussten … Also gingen wir rechtzeitig los, um es locker bis zum Bosporusufer zu schaffen, diesmal schaffte es S. dann auch, recht schnell fertig zu werden.
Schon von weitem sah ich ja, dass der Platz wie jedes Jahr trotz Corona übervoll war, so voll, dass es keine chance gäbe, etwas von dem Feuerwerk zu sehen, das unter der Brücke stattfinden würde, stattdesssen würden wir irgendwo eingekeilt zwischen tausenden Menschenkörpern irgendwo zwischen ein paar Häusern nicht weiter kommen und ratfatz einen Anfall von Claustrophobie (oder schreibt man die mit K?) erleiden.
Also gingen wir einfach kurz entschlossen zu meiner Schule, die ja direkt am Bosporus liegt, wurden auch von der Sicherheit hereingelassen, schließlich arbeite ich da ja, und setzten uns gemütlich auf eine Bank im Schulhof, auf der Bank daneben war noch ein anderer Securitymitarbeiter, der seit 15 Jahren immer Sylveser genau dort verbringt und es genauso genießt, wir wir – Alkohol war zwar nicht angesagt, immerhin ist es eine Schule, aber wir hatten freie Sicht auf das Feuerwerk, einen netten Schwatz mit dem guten Mann, der wirklich nett ist und viel viel Platz …


(Dafür, dass es ohne Stativ, vorbereitung und einfach aus der Hand entstanden ist, geht es doch …)

Sylveser 02

Wir waren dann doch zu fünft – geplant waren zwei, drei Leute mehr, aber die eine ist in Ankara, die andere arbeitete lang und arbeitet auch heute am ersten Januar brav …

Es gab reichlich Getränke, Gespräche und Musik. Angedacht war, kurz vor 12 zum Feuerwehr an den Strand zu gehen – den berühmten Platz mti der kleinen Moschee unter der Brücke, den so ziemlich jeder und jede auch in Deutschland aus diversen Filmen kennt. Um 23:45 stellten wir plötzich fest, dass es höchste Zeit war, aufzubrechen, um 23:52 waren wir auf der Straße, um 23:59 steckte ich fest in einer kleinen Nebenstraße kurz vor dem Uferplatz – das Feuerwerk fing an und ich sah fast nur Wände rund um mich und eine Wand aus Menschen vor mir und hinter mir, die anderen hatte ich verloren.

Der Platz war absolut nicht zu erreichen, wir waren aus dem Haus gegangen, hatten nach hundert, hunderfünfzig  Metern die Hauptstraße überquert, die unser Viertel vom touristischen Ortaköy trennt, und waren in heftigstem Trubel eingetaucht, nachdem in der Zugangsgasse Polizisten uns nach Waffen abgetastet hatten – etwas seltsam, aber das wird hier inzwischen bei allen größeren Veranstaltungen gemacht, nur hatten wir nicht geahnt, dass es sich hier um eine größere Veranstaltung handeln würde.

Eingeklemmt in Hunderten von Menschen kam ich wie gesagt nicht auf den Platz, ehe das Feuerwerk startete, war kurz getrennt von den anderen und versuchte wieder aus dem Gedrängel herauszukommen und weiter nach hinten in etwas ruhigere Bereiche zu kommen, Feuerwerksphotos hatten dabei keine Chance.

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(ok, es war so eng, dass man nur die Kamera über die Köpfe halten konnte und Bild auslösen – ernsthaftes Photographieren funktioniert einfach nicht, wenn man so eingeklemmt ist zwischen Menschen, dass man mit der Massenbewegung durch die Gegend geflutet wird ohne Einfluss auf die Bewegung.)

Etwas weiter hinten fand ich dann auch S. wieder – oder sie mich – und sie wusste, wo die anderen verschollen waren und siehe da, bei denen gab es dann sogar etwas Feuerwerk zu sehen 😉

Nach dem Feuerwerk gingen wir dann einfach nach Hause – ok, für den Weg, den wir heute in einer Minute zurücklegten, brauchten wir zwar eine halbe Stunde, aber danach waren wir aus der Menge heraus und konnten einfach so nach Hause gehen.
Wirklich spannend war die Erfahrung, in einer Menge unterwegs zu sein, wo es so eng war, dass man nicht umfallen konnte, sich nicht bewegen, mit dem ganzen Körper unter spannung stand, von allen seiten von anderen Körpern eingezwängt  – ich hatte das arge Gefühl, dass es eine Katastrophe gäbe, wenn wirklich mal jemand umfiele oder vor Panik zu schreien anfänge – und es gab genug Menschen mit heftiger Panik im Gesicht.

Zu Hause – wir kamen in drei Gruppen wieder nach Hause, auf dem Platz hatten wir uns verloren – gab es noch mehr Geträng, Musik und Gesang – S. war so wunderschön betrunken, dass sie stundenlang bei türkischen alten Liedern mitsang, die sie, B und O. nach Lust und Laue in youtube fanden und herunterluden, …

Irgendwann gegen vier Uhr schlief ich einfach ein …

Getrunken wurden drei Flaschen 3 Bier, eine Flasche Vodka, eine mehr als halbvolle Flasche Campari, eine halbe Flasche Gin,  etwas Raki, so Sachen wie Orangensaft, Tonic Water, Kaffee … in etwas kleineren Mengen.
Anzumerken ist dann noch, dass D. gar keinen Alkohol, und ich nur sehr wenig tranken, während S. Freundin B. tatsächlich Alkohol in sich aufsaugt, wie ein Schwamm …

 

 

 

 

Sylvester

Sylvester ganz türkisch:

Ein normaler voller Arbeitstag, für den wir dann extra aus Deutschland nach nur einer Woche Urlaub anreisen mussten (na gut, gestern durften wir auch arbeiten), um dann zwar den ersten Januar frei zu haben, aber dann auch heldenhaft am 2. und 3. Prüfungen zu machen.

Hier in Ortaköy haben wir dann beim Einkaufen Massen von Polizisten gesehen – Ortaköy ist einer der zentralen Orte hier in Istanbul, wo es Menschen zum Feiern hinzieht, wir wohnen eben immer gern zentral. Überall an den großen Straßen stehen Massen von Polizisten mit schicken kleinen Maschinenpistolen und kontrollieren so ziemlich jeden, der oder die dort im Auto vorbei kommen. Auch Fußgänger, die bestimmten Rastern entsprechen, werden kontrolliert.
Unser Neffe ist der Meinung, dass das unserer Sicherheit diene, ich bin der Meinung, dass das einfach nur Abschreckung und Einschüchterung ist – jeder, der mit einem sprengstoffgefüllten Rucksack und der Überzeugung, er komme in den von Jungfrauen geplfasterten Himmel, wenn er möglichst viele unschuldige Opfer mit sich in den Tod reißt, ist clever genug, nicht im Isis-Outfit  unterwegs zu sein oder sich in einer Uniform einer wirkichen terroristischen Vereinigung – und da gibt es tatsächlich auch neben den Sultansfreunden noch einige mehr im Lande ins Getümmel zu stürzen – nein, natürlich würden die Leute sich tarnen und die haben dann eben auch keine Angst vor den Maschinengewehren, wissen sie doch, dass sie sowieso gleich tot und im Himmel sind …